Veronika Bonelli: Wie ernst ist der Ernst der Situation? Ist „think positive“ und „machen wir das beste draus“ wirklich angebracht?

Johannes Wunsch: Wir erleben gerade in großem Maßstab das, was immer wieder viele von uns im Persönlichen erleben müssen. Durch eine bis dahin unvorstellbare Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, usw. wird plötzlich der Boden unter Füßen weggezogen und nichts ist mehr selbstverständlich. Das Leben ist in gewisser Hinsicht auch immer lebensgefährlich. Nur vergisst man sehr leicht darauf. Aber soll man deswegen verzweifeln? Es erscheint klug, im Leben immer das Beste aus der Situation zu machen. Das hat unter anderem Viktor Frankl in seinem Buch ‚Trotzdem ja zum Leben sagen‘ beschrieben. Dann können sich manchmal auch ungeahnte Dinge entwickeln. Vermeiden (verharmlosen) oder sich ergeben bringt in dieser Situation nicht viel. Wut auch nicht. Der hoffnungsvolle Reisende ist jedoch meistens glücklicher, als der irgendwo angekommene. Positiv denken würde absolut nicht bedeuten, die Situation schön zu reden, oder krampfhaft etwas Gutes empfinden zu müssen obwohl man sich vielleicht sorgt oder traurig ist. Vielmehr heißt es, darauf zu schauen, was jetzt möglich ist und daraus das Beste zu machen. Die beste Version seiner selbst zu sein, ist nicht von objektiven, äußeren Maßstäben abhängig. Ich sage meinen Patienten immer, dass Traurigkeit nicht zur Hoffnungslosigkeit werden muss und Angst nicht zur Verzweiflung. In der Psychologie wird häufig der Ansatz des Reframing verwendet: dadurch soll Patienten geholfen werden, die Situation aus einer leicht veränderten Position zu sehen.

Aufgabe 3: Wie könnte ich meine aktuelle Situation reframen und dann einen neuen Umgang damit finden?