Veronika Bonelli: Bevor wir uns mit Corona nur noch im Kreis drehen. Lass uns heute mal über etwas ganz Anderes sprechen. Hast du einen Tipp, was wir uns in home-therapy erarbeiten könnten?

Johannes Wunsch: Oft können Menschen gewissen Situationen nicht anders als richtig wütend, tief traurig, etc. reagieren und fühlen sich ihren Emotionen ausgeliefert. Oft ist es überhaupt so, dass sie von der Suche nach Angenehmen und dem Vermeiden von Unangenehmen durch die Welt getrieben werden und dabei immer weniger Kontrolle haben. Um damit umgehen zu lernen, finde ich es in der Psychotherapie sehr wichtig, sich damit auseinanderzusetzen wer man ist – wie man quasi zusammenstellt ist.

Was das ist, was wir als ICH bezeichnen ist garnicht so klar. Ich meine damit natürlich nicht den Namen, der das ICH bezeichnet, oder den Beruf den man ausübt usw. Oft weiß man dann auch garnicht mehr was dieses ICH wirklich will. Man fühlt sich den Emotionen ausgeliefert, die dann bestimmen dürfen. Oder man ist ganz distanziert und gehemmt – nur mehr im Kopf.

Wenn man sich die Sache genauer ansieht, wird einem auffallen, dass Gefühle eigentlich nur eine Funktion auf psychischer Ebene erfüllen, so wie zB Schmerzen oder Durst es auf körperlicher Ebene tun. Ein anderer Teil im Gehirn kann Dinge logisch einordnen, vergleichen und zu neuen Lösungen kommen. Dieser Teil, den man grob auch als Cortex bezeichnen kann, ist aber auch nicht das ICH.
Etwas zu wissen heißt natürlich noch lange nicht auch etwas zu tun. Man kann zB wissen, dass es gut ist Sport zu machen, fühlt sich dann aber trotzdem nicht danach. Man kann wissen, dass Rauchen ungesund ist, möchte es dann aber trotzdem tun. Usw. Wenn man nicht weiß was Emotionen und Verstand sind, wird man dem einen Teil ausgeliefert sein und den anderen überschätzen. Wenn wir davon ausgehen, dass Gefühle wie Hinweisschilder sind, die mir etwas anzeigen und der Verstand wie ein (hoffentlich) weiser Ratgeber, ist immer noch offen was das ICH dann ist. Eine Mischung aus allem? Auch wenn die Klärung der Frage, wer man ist, nicht so einfach möglich ist, könnte die Sichtweise helfen, dass man Gefühle und einen Verstand HAT und sich nicht mehr damit verwechseln. Der erwachsene und reife Mensch würde darüber womöglich bescheid wissen und sich beides zunutze machen können. Ich bin. Und ich habe Gefühle die mir etwas anzeigen, einen Verstand der mir Dinge ordnen oder verständlich machen kann. Daraus könnte sich ergeben: Ich fühle und wie möchte ICH damit jetzt umgehen?

Aufgabe 4: Darauf achten, was meine Emotionen mir heute genau mitteilen möchten.